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Wandern als Ausdauertraining?

Ist Wandern ein geeignetes Training, um die Ausdauerleistung auszubauen und die Kondition zu fördern?

Das Wandern erfreut sich in den letzten Jahren einer konstant wachsenden Beliebtheit. Gerade im Frühjahr zieht es die Menschen raus ins Grüne, und dafür lässt man auch gerne mal eine geplante Ausdauereinheit im Fitness-Studio ausfallen. Doch ist das Wandern geeignet, die Ausdauerleistung im Hinblick auf eine allgemeine Verbesserung der Herz-Kreislauf-Funktion zu bewirken?

Scherlich ist diese Frage nicht pauschal zu beantworten, da die Effekte von Bewegung im Allgemeinen sehr von der Dauer, der Intensität und dem allgemeinen Trainingszustand der Person abhängig sind die sie durchführt. Dennoch lassen sich einige, allgemeine Dinge ableiten.

Wandern ist eine Aktivität, die mit einer eher mäßigen Geschwindigkeit ausgeführt wird. Und auch wenn es in unseren Breitengraden so manchen Hügel und steilen Anstieg gibt, an dem die Luft mal knapper wird, unterscheidet sich „unser Wandern“ doch deutlich vom alpinen Bergwandern, bei dem man sich in größeren Höhen mit einer anderen Luftzusammensetzung aufhält. Dem geschuldet werden die wenigsten Personen beim Wandern spürbar außer Atem kommen, so dass die Belastung des Herz-Kreislaufsystems auch eher moderat ausfallen wird.

Genau das ist jedoch ein zentraler Aspekt des Ausdauertrainings. Wollen wir unsere Ausdauer verbessern, müssen wir über eine gewisse Zeit „außer Atem“ kommen, und zwar gezielt, dosiert und kontrolliert.

Bei einer Intensität von ca. 70% unserer maximal möglichen Herz-Kreislaufleistung verbessert sich unser Fettstoffwechsel, wird unsere Grundlagenausdauer ausgebaut und unsere Fitness gestärkt. Diese Intensitäten wird der durchschnittliche Wanderer allerdings kaum erreichen, es sei denn, er würde seine Strecke joggen…

Folgende Aufzeichnung meiner persönlichen Herzfrequenz während einer Wanderung über 18 Kilometer und einer reinen Gehzeit von 3 Stunden 44 Minuten soll diesen Zusammenhang hier exemplarisch veranschaulichen (Bilder leider nicht größer verfügbar):

Die rote Linie ist die aufgezeichnete Herzfrequenz.
Rechts im Kästchen ist zu sehen, wie viel Zeit ich in den einzelnen Intensitätsbereichen verbracht habe. Das waren im Einzelnen:

01:58:32 im Bereich 1, das ist der Bereich des Regenerationstrainings, hier grau hinterlegt.
00:08:17 im Bereich 2, hier findet laut Lehrbuch das Fettstoffwechseltraining statt, blau hinterlegt.
00:01:41 im Bereich 3, der Haupt-Trainingsbereich um die Grundlagenausdauer zu verbessern, grün hinterlegt.

Auf den ersten Blick fällt auf – Ich habe auf dieser Wanderung mit 3 Stunden und 44 Minuten Dauer insgesamt weniger als 2 Minuten in meinem Trainingsbereich von 70% (Bereich 3) verbracht, der meine Herz-Kreislaufleistung im Sinne eines Ausdauerleistung gezielt verbessern und trainieren würde.  

Auf dem zweiten Blick kann man feststellen, dass die oben aufgelisteten Zeiten zusammen weniger als zwei Stunden und 10 Minuten betragen. Ich war aber insgesamt 3 Stunden und 44 Minuten unterwegs. Was ist mit dem Rest?

In der restlichen Zeit war meine Herzfrequenz so niedrig, dass sie noch unter dem Bereich 1 (grauer Balken, Regeneration) lag und somit keinerlei Trainingseffekt zugeordnet werden kann. Es war also mein normaler Alltags- Puls, bei dem mein Körper in keiner Weise gefordert wurde und daher auch keine Adaption an das Herz-Kreislauf-System stattfinden wird. Dies ist selbstverständlich auch meinem insgesamt gemütlichen Wandertempo geschuldet. Wäre ich strammer marschiert, wären die Verteilungen insgesamt anders.

Was bedeutet das alles nun konkret?

Wandern hat viele wunderbare Aspekte zu bieten. Bewegung in der Natur, frische Luft, Licht, Sonne…, alles Dinge die für uns Menschen essenziell sind. Es ist gut für die Psyche und man bekommt den Kopf frei. In zahlreichen wissenschaftlichen Studien konnte z.B. gezeigt werden, dass die Botenstoffe, die in der Waldluft enthalten sind, den Blutdruck regulieren, das Immunsystem stärken, Stresshormone senken und den Blutzucker positiv beeinflussen können.

Zudem ist man in Bewegung was Kalorien verbraucht, den Energiestoffwechsel ankurbelt und die Durchblutung anregt. Für all diese guten Effekte braucht man weder eine Pulskontrolle noch eine gezielte Intensität oder Belastungsdauer. Hier reicht es einfach einen ausgedehnten Spaziergang zu machen oder eben nach Lust und Laune zu wandern.

Besteht aber das Ziel darin, die Ausdauerleistung, das Herz-Kreislaufsystem zu stärken und „die Kondition“ zu verbessern, dann ist das Wandern vermutlich nicht die erste Wahl. Eine gute Grundlagenausdauer ist nicht einfach ein Nebeneffekt der eintritt, wenn man einer Beschäftigung nachgeht, wie z.B. dem Wandern, die man gerne mag. Hierfür ist eine gezielte, reproduzierbare Trainingseinheit mit Pulskontrolle die erste und vermutlich auch die beste Wahl.

In diesem Sinne wünsche ich euch großartige Wanderungen und viele schöne Stunden in der Natur. Und ich möchte euch ermutigen, um lange Spaß und Freude an euren Wanderungen haben zu können, regelmäßig und gezielt eure Ausdauer zu trainieren. Euer Herz wird es euch danken.  

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E-Mail an johan.ehrenberg@fun-physio.de

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